Unter dem Begriff Objektbeziehungstheorie werden unterschiedliche Ansätze zusammengefasst, denen gemeinsam ist, dass sie die zentrale Bedeutung der frühen Mutter-Kind-Beziehung und der Vorstellungen (Objektimagines) des Kindes über sich und seine Bezugspersonen für die spätere Beziehungsgestaltung und für die Persönlichkeitsentwicklung herausstellen. Psychoanalyse Freuds wird häufig als Einpersonenpsychologie betrachtet, der Schwerpunkt ist auf das Konzept der Triebtheorie gelegt. Melanie Klein, sowie Sándor Ferenczi und Michael Balint (Ungarn) lenkten die Aufmerksamkeit verstärkt auf die frühkindliche Entwicklung und die Auswirkungen der frühen Beziehungen zu Bezugspersonen. Eine zentrale Rolle in der Entwicklung spielte die sogenannte „Britische Objektbeziehungstheorie“ um William R. D. Fairbairn, Harry Guntrip (welcher Freuds Theorien als biologistisch und inhuman kritisierte), John D. Sutherland und Donald Winnicott. Auch Theorien aus dem Gebiet der Ich-Psychologie (Joseph Sandler, Entwicklungsmodell von Margaret Mahler, Edith Jacobson, Heinz Hartmann u. a.) haben die Objektbeziehungstheorie stark beeinflusst.
Der Begriff Objekt hat im psychoanalytischen Sprachgebrauch einen deutlichen Wandel erfahren: In der Freud‘schen Psychoanalyse ist das Objekt eine Person oder ein Gegenstand, der eine Triebregung aufheben kann (z. B. eine Person, die sexuelle Befriedigung verschafft). In der Objektbeziehungstheorie bezeichnet der Begriff einen reagierenden Partner, also eine Person, die auf die Äußerungen des Subjekts eingeht. Der Begriff erhält somit eine stark gefühlsbetonte Bedeutung und wird nur noch sekundär als Ziel der Triebregungen verstanden. Objektbeziehung bezeichnet dabei die Beziehung des Subjektes zu seiner Welt. Sie bezeichnet die phantasierte bzw. vorgestellte Beziehung, mit allen zugehörigen Emotionen, zu einer Person, die durchaus von der realen Interaktion abweichen kann.
Dr. med. Klaus-J. Lindstedt
Seminar: 3 UE, Präsenzveranstaltung, TP/AP/Ä, 2. Sem.